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Betrachtet
man die geringen Selbstverwirklichungsmöglichkeiten für Frauen im 19.
Jahrhundert in England, so scheint es nur verständlich, dass die Brontë-Schwestern ihre ersten Bücher unter männlichen Pseudonymen veröffentlichen,
wie viele Autorinnen dieser Zeit.
Dazu
Charlotte: "Da wir unsere Identität nicht öffentlich preisgeben
wollten, verbargen wir unsere Namen unter denen von Currer, Ellis und
Acton Bell; die doppeldeutige Wahl wurde durch eine Art von
Gewissensskrupel bestimmt, Vornamen anzunehmen, die eindeutig männlich
waren, weil - ohne, dass wir es damals ahnten, unsere Art zu schreiben
und zu denken, nicht die war, die man 'feminin' nennt - und wir eine
schwache Ahnung hatten, dass man bei Autorinnen dazu neigt, ihnen mit
Vorurteilen zu begegnen."
Das
männliche Pseudonym ist im 19. Jh. für Schriftstellerinnen übrigens gängig.
Einige
Beispiele:

"Sir
Galahad"

George
Sand
-
die
Autorin von "Jenseits von Afrika", Baronin Blixen-Finecke,
eine Dänin (1885-1962) bediente sich gar zweier männlicher
Pseudonyme: Isak Dinesen und Pierre Andrezel. Den Roman
"Jenseits von Afrika" veröffentlichte sie allerdings
unter dem Namen Tania Blixen

Tania
Blixen

Bettina
von Arnim

Mary Ann
Evans = George Eliot
Zehn
Jahre bevor die drei Schwestern mit ihren Werken an die Öffentlichkeit
traten, hatte Charlotte bereits ihre Fühler ausgestreckt und sich mit
dem Gedanken beschäftigt, Schriftstellerin zu werden. Sie hatte es
gewagt, an den damals beliebten Autor Robert Southey mit einem Brief
heranzutreten und ihm einige Gedichte zur Begutachtung zu schicken.

Robert
Southey
Doch
Southey macht ihr in seinem Antwortbrief, der drei Monate später
eintrifft und mit dem Charlotte schon gar nicht mehr gerechnet hatte,
wenig Mut: "Literatur kann nicht die Hauptbeschäftigung im Leben
einer Frau sein, und sie sollte es auch nicht sein. Je mehr sie sich den
ihr eigenen Aufgaben widmet, desto weniger Muße wird sie für Literatur
haben, sogar wenn sie diese lediglich als eine Ergänzung und
Entspannung betrachtet."
Nach
dieser Antwort beschließt Charlotte: "Ich vertraue darauf, dass
ich niemals wieder den Ehrgeiz fühlen werde, meinen Namen gedruckt zu
sehen. Und falls doch, werde ich Southeys Brief noch einmal lesen und
den Impuls unterdrücken."
Doch
später hat Charlotte diese Worte anscheinend wieder vergessen. Denn als
sie entdeckt, dass ihre beiden Schwestern Anne und Emily genau wie sie
selbst heimlich Gedichte schreiben, fasst sie den kühnen Plan, die
Gedichte als Sammelwerk einem kleinen Londoner Verlag für religiöse
Lyrik, dem Verlag Aylott und Jones, anzubieten.
Der
Verlag übernimmt wie viele heutige Verlage kein Risiko, denn Gedichte
sind damals wie heute äußerst schwer zu verkaufen. Er bietet den drei
Schwestern an, die Gedichte auf ihre Kosten zu veröffentlichen und zu
vertreiben. Die rund 40 Pfund, die die Schwestern für den Druck der
tausend, 165 Seiten starken "Poems by Currer, Ellis and Acton
Bell" und die Werbung ausgeben, ist eine für ihre Verhältnisse
hohe Summe. Verkauft werden ganze zwei Exemplare zu je 4 Shilling.

Der
Verlag verschickt Rezensionsexemplare an Literaturzeitschriften, in
denen das Buch durchaus gute Kritiken bekommt, insgesamt stellt die
Aktion jedoch einen gehörigen Misserfolg dar.
Es
ist die typische Geschichte, die auch heutige Autorinnen mit
Zuschussverlagen erleben. Die Bücher werden auf Kosten der Autorinnen
gedruckt und landen dann in der Lagerhalle des Verlags oder in den
Kellern oder auf Dachböden der hoffnungsvollen Schreiberinnen.
Unsere
Schwestern beschließen, vielleicht aus einer Laune heraus, einige ihrer
Belegexemplare an die damals berühmten Dichter Tennyson, Wordsworth,
Lockhart und de Quincey zu schicken.
Tennyson
Lockhart


de
Quincey 
Charlottes
Begleitbrief erscheint uns amüsant: "Meine Verwandten Ellis und
Acton Bell und ich haben, ungeachtet der wiederholten Warnungen
angesehener Verleger, den unbesonnenen Akt begangen, einen Versband
drucken zu lassen. Die vorausgesagten Folgen haben uns natürlich überrascht;
unser Buch erweist sich als ein Ladenhüter: kein Mensch braucht oder
beachtet es. Im Zeitraum von einem Jahr hat unser Verleger lediglich
zwei Exemplare abgesetzt, und durch welch mühsame Anstrengung es ihm
gelang, sich ihrer zu entledigen, weiß nur er selbst. Bevor wir die
Ausgabe dem Trödler überlassen, haben wir uns entschlossen, einige der
unverkäuflichen Exemplare als Geschenke zu verteilen; wir erlauben uns;
Ihnen eines davon zu übersenden als Dank für das Vergnügen und den
Gewinn, den wir oft und über lange Zeit aus Ihren Werken geschöpft
haben."
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