Charlotte Brontë
 

 

Das Buch "Jane Eyre" (bestellen bei amazon)

Das Buch ist ein Entwicklungsroman, der den Werdegang der Heldin Jane Eyre nachzeichnet. Das Buch beinhaltet autobiografische Elemente. Dabei hält sich die Autorin an ihr eigenes Bekenntnis: "Ich erlaube der Realität vorzuschlagen, aber nicht zu diktieren".

Was die Handlung am Laufen hält und den Roman sehr fesselnd macht: Jane wird in praktisch unhaltbare Lebenssituationen gestellt, muss sich bewähren. Aus jeder der fünf Situationen geht Jane als Siegerin hervor und macht einen Schritt zu größerer Selbstbestimmung und Unabhängigkeit. Für Frauen bietet Jane Eyre eine starke Identifikationsfigur. Jane besteht ihre Feuerproben nicht, weil sie z.B. toll aussieht oder vermögend ist, ihr Rüstzeug fürs Leben sind ihr Mut, Entscheidungen zu treffen und dabei ins Ungewisse zu gehen, ihre tadellose Charakterfestigkeit und Ehrlichkeit, ihr Durchhaltevermögen, ihr Witz und ihre Beherztheit.

Wir begegnen Jane als Waisenkind, das bei einer grässlichen Tante aufwächst. Die Tante verwöhnt ihre eigenen Kinder über die Maßen und misshandelt und demütigt die kleine Jane. Als Jane aufbegehrt, wird sie in den Erziehungsknast Lowood geschickt; die Leserin empfindet, dass Jane vom Regen in die Traufe gerät. Doch auch die Schulzeit steht die Heldin durch und schafft es sogar, selbst Lehrerin zu werden. Mit dieser guten Ausbildung ist es ihr möglich, sich um eine Stelle als Gouvernante zu bewerben. Sie wird die Erzieherin der kleinen Adele, dem Mündel des geheimnisvollen Mr. Rochester, den Jane erst kennen lernt, nachdem sie bereits einige Monate in Thornfield Hall arbeitet.

Wir ahnen schon, dass sich zwischen Rochester und Jane eine Liebesgeschichte anbahnt. Für die damalige Zeit stellt es einen Skandal dar, dass eine unscheinbare Gouvernante es wagt, sich leidenschaftlich in ihren Dienstherren zu verlieben. Die Spitze ist, dass Rochester sich auch in Jane verliebt, obwohl genügend passende Partnerinnen aus seinen Kreisen im Umfeld von Thornfield Hall leben, die nur auf Rochesters Antrag warten.

Rochester will aber Jane. Doch als die beiden vor den Traualtar treten, gibt es einen Eklat. Rochester ist im Begriff, Bigamie zu begehen: Er ist bereits verheiratet. Seine Ehefrau haust geistesgestört in einem entlegenen Flügel des Herrenhauses unter Aufsicht einer unheimlichen Pflegerin. Plötzlich ergeben viele Erlebnisse, die Jane in Thornfield Hall hatte, einen Sinn: Ein nächtliches Feuer, merkwürdige Stimmen, eine Frauengestalt, die Janes Brautschleier vor dem Hochzeitstag zerreißt, die finstere Pflegerin ...

Für Jane gibt es nach dieser Enthüllung vor dem Traualtar nur eine Entscheidung: Sie muss weg! Kopflos irrt Jane in der Gegend herum, bis sie von Hunger und Kälte entkräftet zusammenbricht. Wie der Zufall es will, wird sie von den Geschwistern Rivers gefunden und aufgenommen, dem Pfarrer St. John Rivers und seinen beiden Schwestern. Plötzlich scheint sich in ihrem Leben wieder alles zum Guten zu wenden: sie kann als Lehrerin in der Gemeinde des Pastors Rivers arbeiten, und auf einmal stellt sich sogar heraus, dass die Rivers-Geschwister ihre Verwandten sind, und dass Jane von einem Onkel ein Vermögen geerbt hat, das ihr lebenslange finanzielle Unabhängigkeit bietet. Doch als St. John Rivers ihr einen Heiratsantrag macht und sie nach Indien mitnehmen will, wo er eine Stelle als Missionar antreten wird, zögert sie. Sicher, sie kann ihren Cousin leiden, aber er ist ein starrer, moralisierender Prinzipienreiter, weit entfernt von Janes gefühlvollem und leidenschaftlichem Wesen.

Als Jane sich letztlich durchringt, den Heiratsantrag von St. John anzunehmen, vernimmt sie plötzlich einen mysteriösen Hilferuf: Rochester, den sie natürlich nicht vergessen hat, schickt ihr eine übersinnliche Botschaft. Janes Entscheidung ist damit klar: Sie eilt zurück nach Thornfield Hall, um Rochester zu suchen. Hier findet sie alles verändert vor: Das Herrenhaus ist abgebrannt. An Janes verhindertem Hochzeitstag hat die verrückte Ehefrau das Haus angezündet und ist in den Flammen umgekommen. Und Rochester wurde beim Versuch, seine Ehefrau zu retten, schwer verletzt. Jane findet ihn halb blind in einem kleinen Haus wohnend vor. Das Buch endet damit, dass Jane und Rochester ein Paar werden. Rochester ist nun frei, seine Ehefrau ist tot, und er ist durch seine Behinderung und den Verlust seines Vermögens statusmäßig Jane ebenbürtiger geworden.

Der Roman Jane Eyre enthält die Moral: Wer zu sich selbst und seinen Gefühlen steht und keine faulen Kompromisse eingeht, wird zu guter letzt Sieger sein, so wie die Heldin Jane. Alle Bösen der Geschichte wie z.B. die grausame Tante oder der heuchlerische, sadistische Schulleiter von Lowood erhalten ihre gerechte Strafe.

Jane Eyre wurde nach Erscheinen sofort ein Skandal-Bestseller. Der damaligen Gesellschaft stieß die direkte, ganz unverblümte Sprache des Romans auf.

Das Lesepublikum zur Mitte des 19. Jahrhunderts erwartete einen anderen Ausgang der Geschichte. Rochester hätte die reiche Tochter des Nachbargutes, Miss Ingram, heiraten müssen. Und für Jane wäre es passend gewesen, mit Pastor St. John Rivers nach Indien zu gehen, auch wenn sie ihn nicht liebt.

Heute gefällt uns gerade, dass das Gute siegt, dass die Heldin die Herausforderungen besteht und den Prinzen bekommt.

Auch die sprachliche Gestaltung bringt der Leserin der heutigen Zeit das Buch nahe.

Jane Eyre ist ein Klassiker der Weltliteratur, es wurde in vielen literaturwissenschaftlichen Werken analysiert.

Es gibt mehrere sehenswerte Verfilmungen des Buches, z.B. der Film unter der Regie von Stevenson "Die Waise von Lowood" von 1944 mit Joan Fontaine als Jane und Orson Welles als Rochester oder der Film "Jane Eyre" von 1934 unter Regie von Cabanne.

Die Schriftstellerin Jean Rhys ließ sich von der Geschichte Jane Eyre zu ihrem Buch "Sargassomeer" inspirieren. Der Roman beschreibt sehr eindrucksvoll die Geschichte der geistesgestörten Ehefrau Rochesters. Rochester lernte seine Ehefrau Bertha auf den westindischen Inseln kennen. Die Geschichte "Sargassomeer" beginnt, als die beiden sich kennen lernen und endet damit, dass Bertha, mittlerweile geistig umnachtet, das Herrenhaus Thornfield Hall anzündet und dabei umkommt. (Sargassomeer bestellen bei amazon)

Jean Rhys

Eine weitere Geschichte, die den Roman betrifft: Nachdem der berühmte und von Charlotte verehrte Schriftsteller Thackeray die erste Ausgabe mit einer sehr guten Kritik bedenkt, wagt es Charlotte, dem Dichter Jane Eyre in der zweiten Auflage zu widmen. Was sie nicht weiß: Damit kränkt sie Thackeray wahrscheinlich, denn es ist ein Teil seiner eigenen Lebensgeschichte, der in Jane Eyre beschrieben ist: Auch Thackerays Ehefrau ist wie die Ehefrau Rochesters wahnsinnig geworden und lebt unter Aufsicht von Pflegern vor der Öffentlichkeit versteckt.

William M. Thackeray

 

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