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Sind
die Schwestern Brontë Feministinnen?
Zu
den geringen Selbstverwirklichungsmöglichkeiten für Frauen während
der Viktorianischen Zeit, in der die drei Schwestern leben und
schreiben, kommen für potenzielle Schriftstellerinnen auch noch die
Einschränkungen der Themen sowie des sprachlichen Ausdrucks hinzu.
Es
wird unschicklich, Worte zu benutzen, die auf etwas
"Geschlechtliches" hindeuten, z.B. für uns völlig unverständlich,
Worte wie "Stute", "Unterhemd" oder
"Hose".
Und
mit ihren Romanthemen sollen unsere schreibenden Schwestern Anne, Emily
und Charlotte später einige Tabus brechen: Kritiker haben z.B. an
Charlottes Buch "Jane Eyre" ihre harte, derbe und
freiheitliche Sprache auszusetzen. Doch das ist nicht das Einzige, was
schockiert: Die Geschichte einer kleinen, unscheinbaren Gouvernante, die
es wagt, ihren privilegierten Arbeitgeber zu begehren, stößt auf
gesellschaftlichen Widerstand.
Immer
wieder wird Charlottes Plädoyer für weiblichen Selbstausdruck angeführt,
welches sie in "Jane Eyre" hält: "Man sagt, Frauen seien
im allgemeinen sehr ruhigen Naturells, doch Frauen empfinden genauso wie
Männer. Sie brauchen ebenso wie ihre Brüder einen Tätigkeitsbereich,
in dem sie ihre Tätigkeiten entfalten können ... Es ist engstirnig von
den bevorrechtigten Männern, wenn sie sagen, Frauen sollen sich darauf
beschränken, Pudding zu kochen und Strümpfe zu stricken, Klavier zu
spielen und Taschen zu besticken."
Auch
der einzige Roman Emilys "Sturmhöhe" stellt die Kritik vor
Herausforderungen:
Das
Findelkind Heathcliff liebt seine Ziehschwester Cathrine. Als der
Vater, der Heathcliff einst aufnahm und mit seinen Kindern Cathrine und
Hindley erzog, stirbt, ist Heathcliff den Quälereien durch den eifersüchtigen
Hindley schonungslos ausgesetzt. Er bleibt nur, weil er Cathrine liebt
und sich eine Verbindung mit ihr erhofft. Cathrine hat aber nicht den
Mut, ihre Liebe zu Heathcliff zu leben, was Heathcliff dazu bringt,
die Heimat zu verlassen. Cathrine heiratet inzwischen halbherzig den
reichen Nachbarssohn Edgar Linton. Als Heathcliff nach einigen Jahren,
im Ausland wohlhabend geworden, wiederkommt und Cathrine verheiratet
antrifft, beschließt er, sich an allen, die ihn enttäuscht, gedemütigt,
gequält haben zu rächen. Seine rasende Zerstörungswut trifft nicht
nur Cathrine sondern auch letztlich ihn selbst.
"Ratlosigkeit"
ist der mindeste Ausdruck für das, was sich bei Literaturkritikern
breit macht, als dieses Werk Emilys, in dem Hass, Gewalt, Sexualität
und Leidenschaft tragende Rollen spielen, veröffentlicht wird.
Auch
die dritte Schwester, Anne, tritt weniger mit ihrem ersten Buch
"Agnes Grey", mehr mit ihrem zweiten Buch "Die Hüterin
von Wildfell Hall" in Fettnäpfchen.
Die
Hauptdarstellerin Helen wird gegen besseres eigenes Wissen und gegen
ihren Willen mit dem Lebemann und Säufer Arthur Huntingdon verheiratet.
Ihre Ehe ist von Unterdrückung und sexueller Gewalt geprägt. Gesetz
der damaligen Zeit ist es, selbst unter diesen untragbaren Verhältnissen
als Frau beim Ehemann zu bleiben. Ehefrau und Kinder gelten 1847, als
das Buch erscheint, als Eigentum des Mannes. Erst zehn Jahre später
gibt es in England die erste gesetzliche Ehescheidung. So bleibt für
die Heldin Helen nur der Weg der ungesetzlichen, heimlichen Flucht. Doch
das ist es nicht allein, was die Gesellschaft ihrer Zeit aufrüttelt.
Ebenso skandalös ist es, dass Anne ihre Heldin auch noch eigenes Geld
verdienen lässt: Helen arbeitet als freischaffende Künstlerin und
verkauft ihre Bilder an einen Londoner Galeristen.

Gesellschaft
viktorianischer Damen
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